Musiktheaterdramaturgin Pia-Rabea Vornholt (PV) im Gespräch mit dem designierten Generalmusikdirektor Stefan Veselka (SV), der bereits am 10.7.23 beim 8. Philharmonischen Konzert LICHT UND SCHATTEN im Audimax zu erleben ist
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Pia-Rabea Vornholt Das Philharmonische Konzert im Audimax ist als krönender Abschluss der Konzertsaison gleichzeitig Ihr Begrüßungskonzert als neuer GMD. Auf was freuen Sie sich besonders?
Stefan Veselka Nach unserer ersten Kennenlernphase freue ich mich, endlich mit dem Philharmonischen Orchester und mit den Solist*innen arbeiten und musizieren zu dürfen. Es ist schön, die gemeinsame Zeit mit so einem spannenden Programm im Audimax zu beginnen. Mein offizieller Einstand wird dann im Herbst beim 1. Philharmonischen Konzert und bei der Oper ARIADNE AUF NAXOS sein.
PV Das Konzert trägt den Titel LICHT UND SCHATTEN und taucht mit drei Werken auf ganz individuelle Weise in düstere und helle Klangwelten ein. Was ist Ihr persönliches „Highlight“?
SV Mahlers Vierte ist die letzte von Mahlers drei sogenannten WUNDERHORN-Sinfonien und ist zugleich die erste Mahler-Sinfonie, mit der ich als Dirigent in Berührung kam. Sie ist nach der groß besetzten Zweiten und Dritten etwas intimer, fast kammermusikalisch, und gleichzeitig mit einem sehr raffinierten Einsatz des Schlagzeugs versehen. Den Finalsatz bildet DAS HIMMLISCHE LEBEN, eines von Mahlers berühmten Orchesterliedern aus DES KNABEN WUNDERHORN. Spannend ist hier die für Mahler typische Brüchigkeit – er zeichnet eine kindlich-heitere Welt von fast schalkhafter Ironie, die er jedoch immer wieder einem tiefen, existenziellen Ernst gegenüberstellt, der mit dieser scheinbaren Idylle bricht. Der Finalsatz besitzt für mich – ähnlich wie auch der erste Satz – eine große Nähe zu Schuberts 7. Sinfonie, die wir zu Beginn des Konzerts hören.
PV Mit Schuberts Sinfonie die UNVOLLENDETE beginnt der Konzertabend durchaus düster, doch besticht sein Werk durch mitreißende Kontraste, Emotionen, die bis zur feurigen Ekstase reichen …
SV Die UNVOLLENDETE ist neben Mozarts REQUIEM vielleicht das bekannteste Musikfragment der Welt. Mit ihr hat Schubert eine für die damalige Zeit neue und besondere Klangwelt erschaffen. Der düstere Anfang in h-Moll (eine damals sehr ungewöhnliche Tonart für eine Sinfonie) und das darauffolgende unruhige Thema verleihen eine melancholische Grundstimmung. Das Seitenthema ist dagegen ein anmutiger Ländler im hellen G-Dur. Die Kontraste und schnellen Wechsel von Dur nach Moll sind eine Besonderheit von Schubert und verleihen der Sinfonie etwas Doppeldeutiges.
PV Eine andere Art von „Kontrast“ zum sinfonischen Programm bilden die VIER LIEDER von Alma Mahler. Als Komponistin verschwand sie zeitlebens im Schatten ihres Mannes. Völlig zu Unrecht, wie sich in ihren VIER LIEDERN heraushören lässt.
SV Absolut! Alma Mahler komponierte ihre VIER LIEDER etwa zu derselben Zeit, in der ihr Mann an der 4. Sinfonie arbeitete. Sie sind im Original für Gesang und Klavier geschrieben und erklingen hier in einer Orchesterfassung. Es ist spannend, ihr Werk neben dem Gustav Mahlers zu hören und festzustellen, dass sich keine musikalische Nähe heraushören lässt – vielmehr zu Arnold Schönberg oder Alma Mahlers Lehrer Alexander Zemlinsky. Die Lieder besitzen eine sehr reiche, avancierte Tonalität und sind gleichzeitig unfassbar sinnlich.
PV Auch passend zum Thema LICHT UND SCHATTEN …
SV In der Tat. Es ist ein Konzert, das alle Emotionen, vielleicht Dimensionen unserer menschlichen Existenz beleuchtet und damit gewissermaßen auch schon auf unser nächstes Spielzeitmotto IDENTITÄTEN vorwegweist.