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Musiktheater
Musical in zwei Akten
Musik und Songtexte von Jason Robert Brown
Buch von Alfred Uhry
Mitkonzipiert und am Broadway inszeniert von Harold Prince
In Kooperation mit CANTEMUS Regensburg
Dauer: ca. 2 Stunden 30 Minuten | eine Pause
Trigger-Hinweis:
Das Musical PARADE verhandelt - in starker Sprache - sensible Inhalte (Sexualisierte Gewalt, Antisemitismus und Rassismus), die negative und/oder verletzende Gefühle auslösen oder hervorrufen können.
Nach einer wahren Begebenheit: Atlanta, Georgia. 1913. Leo Frank, ein in Brooklyn geborener Jude, wird fälschlicherweise beschuldigt, Mary Phagan – ein junges Mädchen, das in der von ihm geleiteten Fabrik arbeitet – vergewaltigt und getötet zu haben. Der öffentliche Aufschrei über den Tod des Mädchens wird zusätzlich von politischen Opportunisten und einer tollwütigen Presse geschürt. Leo Frank wird durch einen „Jahrhundert-Prozess“ getrieben, für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Durch den Nachweis von Falschaussagen und dem Fehlen von Beweisen überzeugt seine heldenhafte Frau Lucille den Gouverneur, das Todesurteil in eine lebenslange Haftstrafe umzuwandeln. Trotz dieser Revision erhängt ein Lynchmob Leo Frank in Mary Phagans Heimatstadt Marietta, Georgia.
Der Fall „Leo Frank“ lenkte die internationale Aufmerksamkeit auf den amerikanischen Antisemitismus und war ausschlaggebend für die Gründung der „Anti-Diffamierungs-Liga“ sowie für die Wiederbelebung des „Ku-Klux-Klan“. Inmitten religiöser Intoleranz, politischer Ungerechtigkeit und rassistischer Spannungen erkundet das tragisch-mitreißende Musical PARADE die Beständigkeit von Liebe und Hoffnung.
Jason Robert Browns (*1970) facettenreiche Partitur, welche mit dem Tony Award ausgezeichnet wurde, nimmt Anleihen bei Folk, Gospel, Dixie-Jazz, Rhythm and Blues, Pop-Rock und verleiht der eindringlichen Geschichte einen wahrhaften Südstaaten-Sound.
„Die Inszenierung von Simon Eichenberger und die Dramaturgie von Ronny Scholz vertrauen auf die starke Wirkung der Geschichte und kommen ohne sichtbare Aktualisierung aus. [...] Leo Frank wird von Alejandro Nicolas Firlei Fernandez als seriöser, akkurater, zurückhaltender Fabrikherr gezeichnet, und überrascht in der Szene, als er slapstick-artig all die Vorwürfe der falschen Zeugen darstellt. In der Rolle der Ehefrau Lucille Frank glänzt die wunderbare, bezaubernde Fabiana Locke sowohl gesanglich als auch darstellerisch. Neben all den weiteren Darstellern, die eigentlich alle eine namentliche Erwähnung verdienten, soll noch William Baugh in der Rolle als Jim Conley genannt werden – der Chor der Gefangenengang ist ein regelrechtes Blues-Highlight der Vorstellung. Und ebenso seien die jungen Sängerinnen des Cantemus.Chores erwähnt, die in der Premiere ihren Auftritt hatten: Sarah Scherwitz, Julia Bothschafter, Mieke Bahnmüller und Jule Haber sangen und spielten ihren Part ausgezeichnet. Dass auch der Opernbariton Seymur Karimov ‚Musical kann‘, zeigt die Vielseitigkeit des Regensburger Ensembles.
Die Komposition von Jason Robert Brown ist ein außergewöhnlich stimmiger Mix aus den Klängen der amerikanischen Südstaaten: Blues, Gospel, Dixie, Jazz, Folk und Pop-Rock vermischen sich zu einem Sound, den das Philharmonische Orchester unter der Leitung von Alistair Lilley mitreißend umsetzt. [...] Für diese Musical-Inszenierung wurden im Theater am Bismarckplatz alle dramaturgischen und bühnentechnischen Register gezogen. Das Bühnenbild (Sam Madwar) zeigt sich als äußerst wandelbar und gestaltet dank Dreh- und Hebetechnik sowohl Raum für die Massenszenen (überzeugend auch dieses Mal wieder der Regensburger Opernchor) als auch für intime Zweisamkeit, unterstützt durch die hervorragende Lichtregie von Martin Stevens und Simon Eichenberger.
Schnelle Szenenwechsel, ähnlich Filmschnitten, passende Kostüme, einfrierende Szenen gestalten eine spannende Aufführung und machen neben all den bereits angesprochenen Highlights die zweieinhalb Stunden der Vorstellung zu einem fesselnden Abend.“ — (16.4.23)
„Das Theater Regensburg zieht für ‚Parade‘ alle Register. Orchester, Chor, Cantemus-Chor und 18 Solisten setzen das Musical um. Auf der Bühne am Bismarckplatz hat man noch selten so viele Menschen gesehen und hinter der Bühne greift allein für die Wechsel der 300 Kostüme eine tollkühne Logistik ineinander.
Regisseur Simon Eichenberger bleibt dicht an den Fakten und in der Zeit [...]. Er erzählt ‚Parade‘ breit ausgemalt, fast filmisch. Sein Ansatz ist stimmig, weil gerade die historische Treue deutlich macht: Geschichte wiederholt sich, von 1915 trennt uns ein Wimpernschlag. Auch die Kostüme von Aleš Valášeks verweisen auf die Mode der Zeit, mit langen Röcken und Rüschenblusen, Anzügen und Strohhüten. Die Bühne von Sam Madwar ist ein Kunstwerk für sich. Der Aufbau funktioniert als Fabrik, Büro, Gerichtssaal, Bankett, Straße, Wohnung, Zelle. Räume und Möbel klappen präzise wie ein Uhrwerk auf und zu, schrauben sich hoch oder sinken nach unten. Die ausgeklügelte Lichtführung (Martin Stevens) switcht von Drinnen nach Draußen, von Tag zu Nacht, alles in schnellen Schnitten zwischen vielen kurzen Szenen. Das Publikum folgt diesem Krimi atemlos. [...]
Das Ensemble zeigt eine Glanzleistung, singt, spielt und tanzt mit vollem Einsatz und großer Virtuosität, auch wenn die anspruchsvolle Musik in ein paar Solos an Grenzen führt. Alejandro Nicolás Firlei Fernández als rational-korrekter Leo ragt heraus, genau wie Fabiana Locke als erst verwöhnte, dann emanzipierte Lucille, Felix Rabas als rachsüchtiger Frankie Epps und Mario Mariano als durch und durch zynischer Newt Lee.“ — (16.4.23)
„ [...] viel besser kann man das an einem Stadttheater wohl nicht machen. Vor dem Hintergrund der stets präsenten Bleistiftfabrik (Leo Franks Arbeitsplatz als Direktor und Ort des Verbrechens) finden mittels Dreh- und Hebebühne reibungslose Szenenwechsel statt. Was hier von Regisseur Simon Eichenberger bestens koordiniert in Sachen Bühnenraffinesse (Sam Madwar), Kostümvielfalt (Aleš Valášek) und Lichtstimmung (Martin Stevens) aufgefahren wird, wäre eines spezialisierten Musicaltheaters jederzeit würdig. [...]
Die Besetzung, darunter viele feste Ensemblemitglieder und People of colour, ist bis in kleinere Rollen des riesigen Casts hervorragend: Paul Kmetsch (Junger Soldat / Britt Craig), Michael Daub (Alter Soldat / Tom Watson / Wächter) und Felix Rabas (Frankie Epps / Wächter) beweisen in ihren Mehrfachaufgaben beeindruckende Wandlungsfähigkeit, Benedikt Eder ist ein durchtriebener Staatsanwalt Dorsey, William Baugh ein stimmintensiver, als wahrer Täter falsch aussagender Jim Conley, Kathrin Berg eine berührende Opfermutter. Darstellerisch und stimmlich enorme Präsenz zeigt nicht nur der Opernchor, auch der Cantemus Chor der Musikschule überzeugt als Kollektiv ebenso wie solistisch, allen voran Sarah Scherwitz als das Mordopfer Mary Phagan. Vor allem aber sind die Hauptrollen bei Alejandro Nicolás Firlei Fernández als Leo Frank und Fabiana Locke als dessen Frau Lucille in fabelhaft guten Händen.“ — (16.4.23)